Noch immer da? Gut, auf deine Verantwortung hin. Aber nachher nicht beschweren: „Maaah, das waren die unsinnigsten 15 Minuten meines Lebens. Hätte ich nur Sturm der Liebe geschaut oder diesen Youtube-Clip, wo das Chamäleon Angst vor einem Iphone hat!“
Dann fangen wir mal an: Es ist Freitag, 10 Uhr vormittags, ich bin wach und angezogen. Nun fragt man sich natürlich zu Recht: warum? Gut….dass ist ich angezogen bin, wenn ich mich außerhalb des Betts aufhalte, gebietet der Anstand gegenüber dem Installateur, der sich mit mir in der Küche befindet. Ein weiterer Grund meines Wachseins zu dieser nachtschlafenden Tageszeit war der monatliche Regenguss, der weniger zart als mehr laut und nervend an meine Fenster klopfte. Mindestens einmal im Monat kommen Menschen, die mit langen Besen und Wischern und Schläuchen die Fenster an unserem Wohngebäude reinigen. Und das natürlich an meinem freien Tag. Sowas von ungerecht! Aber andererseits berappe ich natürlich gern ein Drittel meines Gehalts für die Miete, wenn man so einen Service inkludiert bekommt. Gar nicht auszudenken, wie meine Fenster-Fernwinkbeziehung aussehen würde ohne diesen monatlichen Reinigungsdienst. Jaja, mit so sauberem Glas, das wissen wir schon aus der Werbung, da klappt’s auch mit dem Nachbarn! Ich will ja gar nicht davon sprechen, dass wir uns durch die dreckigen Fenster hindurch vielleicht nie gesehen, nie kennen gelernt hätten. Aber ganz sicher wirkt niemand lässig und cool, wenn er durch verschmutzte Fenster winkt. Soviel steht fest. Und übrigens: auch ihr Mann und ich haben schon einmal per Fenster kommuniziert. Dazu aber später mehr.
Also, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, in der Küche beim Installateur. Der hat kontrolliert, ob unser tadellos funktionierender Gasboiler auch wirklich tadellos funktioniert. Also hat er einfach mal ein wenig daran herumgedreht und schon ging die Heizung nicht mehr. Nach ein wenig Grübelei wurde noch ein bisschen mehr herumgedreht und schon ging sie auf einmal wieder. Zufrieden mit seiner Arbeit wandte er sich an mich, nickte wissend und teilte mir dann mit: „The heating is working again!“ Verständlicherweise wollte die Freude in der Wohnung gar kein Ende nehmen. Es ist einfach beruhigend zu wissen, dass Handwerker überall auf der Welt Probleme, die man vorher gar nicht hatte, auch ruckzuck wieder beseitigen können. Speziell, wenn der Landlord und nicht man selber für solchen Unsinn bezahlen muss.
Ja, wenn wir schon bei Handwerkern sind: Eines schönen Morgens kam kein Wasser aus den Leitungen. Also kurz mit der Winke-Winke-Nachbarin kommuniziert und festgestellt, dass in allen Wohnungen kein Wasser läuft (ich konnte es natürlich an ihrer etwas schiefen Frisur bereits erahnen, dass die Dusche ausgefallen war). Dann wurden alle notwendigen Stellen verständigt und das Problem konnte in unserer Abwesenheit in Angriff genommen. Als ich am späten Nachmittag nach Hause kam, war natürlich nichts passiert. Also wieder telefoniert und schon war klar, wer Schuld an diesem Dilemma war. Laut Hausverwaltung der Hausmeister. Der Hausmeister wiederum beschuldigte die Wasserwerke. Und gemäß den Wasserwerken war die Hausverwaltung der alleinige Schuldige. Es war also etwas unklar, wann das Wasser wieder aus den Leitungen sprudeln würde. Tja, was passiert gewöhnlich in Zeiten der Krise und des bevorstehenden Toilettenbesuchs ohne die Möglichkeiten zu spülen? Es formen sich natürlich die seltsamsten Koalitionen. Daher habe ich jede Vorsicht über Bord geworfen und Kontakt aufgenommen. Mit ihm. Meinem Wink-Rivalen. Um abzuklären, welche Informationen er bekommen hat bezüglich der Rückkehr des feuchten Elements. Wenn der gewusst hätte, was da sonst hinter seinem Rücken an Gewinke abgeht… Und eine Stunde später konnte die lebensrettende Spülung dann auch endlich betätigt werden und dieser bizarre Wink-Waffenstillstand war wieder Geschichte.
Und jetzt noch der „Höhepunkt“ der Wasser-Geschichten: Eines schönen Morgens kam Caroline in die Küche und sah mich sehr geschockt an. Kreidebleich klärte sie mich auf, dass unsere Wasserrechnung, die wir per Post übermittelt bekommen haben, einen Betrag von über 400 Pfund für 3 Monate auswies. Das letzte Mal, bevor ich eingezogen bin, waren es 120 Pfund. In Gedanken ging ich schnell meinen Wasserverbrauch durch, aber bis auf die berüchtigte Stöpselgeschichte fiel mir keine übermäßige Verschwendung ein. Nach der ersten Panik, rief Caroline dann mal bei den Wasserwerken an um nachzufragen, wie das sein kann. Da stellte sich raus, dass sie nur geschätzt und dabei scheinbar etwas aufgerundet haben. Nachdem eine Woche später der Zähler abgelesen wurde, konnte die Rechnung überraschenderweise auf 80 Pfund heruntergeschraubt werden. Wie gesagt, eine großartige Geschichte, die ich noch meinen Enkelkindern erzählen werde („Opa, Opa, erzähl uns doch wieder, wie du in England die Wasserrechnung bezahlen musstest!“ …. Ja, so wird das sein mit mir und meinen Enkelkindern.)
Von diesen trivialen Alltagssorgen, die absolut anders sind als in Österreich, komme ich zu Ausflügen und Abenteuern in anderen Gegenden als meinem geliebten, sicheren Manchester. Speziell unser Viertel hier soll ja, wie schon einmal erwähnt, etwas gefährlich sein. Aber außer dem Überfall in einem Park 10 Minuten von mir entfernt, war bisher absolut gar nichts. Und wer geht schon allein mitten in der Nacht durch einen Park?! Selber Schuld kann man da nur sagen. Also Urlaub: in den Semesterferien habe ich einerseits ein paar Tage in Manchester verbracht um zu chillaxen. Dann habe ich einen Tagesausflug mit Fred und Vladimir nach Leeds gemacht, wo wir zufällig zwei österreichischen Assistentinnen über den Weg gelaufen sind. Den Rest der Woche habe ich dann mit Florian, einem deutschen Assistenten, in einer Jugendherberge in London verbracht. Wichtigste Regel beim Schlafen in einem Hostel: Nie als erster nach Hause kommen. Es kommen sonst immer Menschen in den Raum, die betrunken, laut, rücksichtslos oder alles drei zusammen sind. Oder am allerschlimmsten: amerikanische College-Girls. Wenn die um halb 3 Uhr morgens mal ins Schnattern geraten, ist es um die nächtliche Ruhe geschehen. Deswegen immer die oben genannte Regel beherzigen.
Apropos Jugendherberge, da bietet sich doch sofort ein kleiner Einschub zur Sprachkompetenz meiner Schützlinge an: Aus irgendeinem Grund müssen englische Schüler, die ansonsten keinen geraden Satz rausbringen, beim Thema „Was gibt es in deiner Stadt“ unbedingt das Wort „Jugendherberge“ lernen, wobei den meisten zuerst einmal auf Englisch erklärt werden muss, was das überhaupt ist und dass man dort keine schlimmen Kinder einsperrt. Scheinbar ist aber unverständlicherweise speziell der erste Teil des Wortes etwas zu kompliziert für die britische Zunge und daher wird fast immer gefragt „Wo ist die Judenherberge?“ Beim ersten Mal habe ich noch entsetzt zur Lehrerin geblickt, aber da ich scheinbar der einzige bin, dem das auffällt, lernte ich damit ebenso zu leben, wie mit nicht ausgesprochenen Endungen: Komödi…, Fernseh…, Geschicht…, Verkäuf… Hier kommen die eigenen linguistischen Prinzipien halt leider etwas durch. Da freut man sich schon, wenn überhaupt Endungen benutzt werden, auch wenn es nur die falsches sind! Oder man ist entzückt, dass wahllos über Vokalen ein Akzént gesetzt wird. Zumindest erkennen sie, dass man eine Fremdsprache benutzt, es müssen ja nicht unbedingt Umlaute sein, n’est-ce pas?! Die kleinen Freuden im Alltag eines Sprachassistenten.
Aber zurück nach London. Neben einem Tag in London mit Florian und diversen Besuchen in meinem Stammpub, dem Sherlock Holmes, wurden 2 Tagestrips gemacht. Der erste führte mich mit der legendären Babsi Brugger nach Windsor, wo wir das Schloss unsicher machten. Audio-geführt wandelten wir durch die Räumlichkeiten und Gärten und hatten unsere Hetz dabei. Danach noch ein bisschen durchs benachbarte Eton und schon war der Tag um. Immer wenn ich in London bin, esse ich Scones mit Sauerrahm und Marmelade, die typischste englische Mehlspeis zum Tee oder Kaffee. So auch dieses Mal und dabei ergab sich - wie jedes Mal, wenn ich Scones esse - die Frage, wie man auf Deutsch zu Scones sagen würde. Und bis jetzt konnte mir das noch niemand so richtig beantworten. Die Babsi aber meinte ganz selbstverständlich, die würden bei uns auch Scones heißen. Man lernt doch immer was dazu! Da freue ich mich doch schon sehr, wenn ich sie mal in Neukirchen am Großvenediger besuche und sie mich ihre original Salzburger Scones kosten lässt. Hmmm, lecker!
Den zweiten Tag verbrachte ich mit insgesamt 5 Mädels im verregneten Cambridge. Was kann man hier berichten? Colleges neben Colleges, umgeben von Colleges. Am letzten Tag war ich dann noch beim Speaker’s Corner im Hyde Park. Ein seriöser Herr sprach über China als wirtschaftliche Gefahr für Europa. Ein Moslem versuchte das Publikum für ein religiöses Thema zu begeistern. Und eine alte Frau redete einfach nur Unsinn und beleidigte alle Zuhörer, die ihre Rede kommentierten. Man kann sich leicht vorstellen, wer von den Dreien die meisten Menschen um sich scharen konnte. Die wahnsinnige Alte natürlich. Beim Nachhausefahren nach Manchester im Zug dann das altbewährte Spiel. Ich buche online einen Sitzplatz, wo ich in Fahrtrichtung sitzen würde. Und sitze in die Gegenrichtung. Ich bin mittlerweile 6 Mal mit dem Zug gefahren und erst einmal in Fahrtrichtung gesessen. Das war das erste und auch das einzige Mal und ich habe damals natürlich vorher nicht angegeben, dass ich in Fahrtrichtung sitzen möchte. Irgendjemand bei der britischen Bahn hat seinen Spaß mit meinen Online-Buchungen, anders kann ich mir das nicht erklären…
Zurück in Manchester gab es dann endlich eines der lang geplanten, internationalen Dinner. Patricia war die erste und es gab einen Abend lang lukullische Genüsse von der iberischen Halbinsel. Verschiedenste Tapas mit Schinken, Käse, Oliven, Saucen und und und…vor allem aber Eier und Erdäpfel. Wie es scheint die beiden wichtigsten Zutaten, die bei keinem spanischen Essen fehlen dürfen. Und es gab Sangria und Cocktails. Ich frag mich gerade, wie Tapas in Österreich heißen? Wahrscheinlich Tapas. Ich werd mal die Babsi fragen…
So, das war es mal wieder. Ich bin mir sicher, der nächste Bericht wird mörder-hammer-wahnsinns-mega-geil, weil ich dann ich über den Besuch der Frau Brugger in Manchester berichten kann! Und der Walter ist auch da! Und ich gehe in die Annalen des englischen Fussballsports ein! Und ich fliege nach Belfast, in die Stadt, wo kein Single länger als 10 Minuten allein bleibt (sagt die Kathi). Und der zahnende Hund erst…was für eine Geschichte, die ich jetzt leider auf das nächste Mal verschieben muss! Also wirklich, nächstes Mal wird wieder super!
Und für alle, die sich jetzt doch durch diesen Eintrag gequält haben, hier ist das Chamäleon: